Interkulturelle Kompetenzen 

Interkulturelle Kompetenzen 

Am 23.11.2020 begrüßte Prof. Dr. Stephan Schöning, akademischer Leiter des Campus Calw der SRH Hochschule Heidelberg, 35 Teilnehmende zu einer weiteren Veranstaltung des FACT Forschungs-Dialogs. Der FACT Forschungs-Dialog wird gemeinsam von der SRH Hochschule Heidelberg und dem gemeinnützigen Forschungsverein FACT-Center e.V. Center for Finance, Accounting, Controlling and Taxation veranstaltet; er soll die Brücke zwischen verschiedenen Forschungsbereichen schlagen und Interessierten Einblicke in aktuelle Forschungsfragen geben. 

In ihrem Vortrag beleuchteten die drei Referenten Prof. Dr. Çağla Ersen Cömert von der Marmara Universität Istanbul, Viktor Mendel von der WMF Group und Prof. Dr. Stephan Schöning zunächst die Notwendigkeit von interkulturellen Kompetenzen allgemein sowie auch zu-nehmend in zahlenaffinen Bereichen von Unternehmen wie dem Finanz- und Controlling-Bereich. Als Definition für interkulturelle Kompetenzen stellten sie auf den Ansatz von Deardorff ab. Demnach ist ein Mensch dann interkulturell kompetent „wenn er willens und in der Lage ist, in der interkulturellen Begegnung angemessen Kontakt aufzunehmen, die Rahmenbedingungen für eine für beide Seiten befriedigende Verständigung auszuhandeln und sich mit dem Betreffenden effektiv auszutauschen.“ 

Um die Relevanz des oftmals verwendeten, aber bereits recht alten Konzepts von Hofstede zur Operationalisierung interkultureller Kompetenz zu prüfen, stellten die Referenten die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage unter Mitarbeitendem im Finanzbereich vor. Überraschenderweise wurden von den Teilnehmern interkulturelle Herausforderungen nicht nur mit fernen Kulturen gesehen, sondern auch mit den Nachbarländern Deutschlands. Zudem zeigte sich, dass nach wie vor sämtliche fünf von Hofstede definierten „Kulturdimensionen“ als relevant angesehen werden. Insgesamt belegte die Umfrage, dass die Erhebungen von Hofstede unverändert geeignet sind, um länderspezifisch interkulturelle Herausforderungen zu identifizieren und zielgerichtet Trainingsmaßnahmen zu konzipieren. 

In den Länderbetrachtungen verdeutlichte Prof. Dr. Çağla Ersen Cömert, was konkret die Unterschiede zwischen der Türkei und Deutschland in Bezug auf Machtdistanz und Individualität bedeuten: „Türkische Mitarbeiter erwarten eine klare Hierarchie in Unternehmen, denn Türken wachsen von Kindheit an in hierarchische Strukturen auf.“ Zudem ist zu berücksichtigen, dass Gruppen (Familien, Abteilungen, etc.) im Vergleich zu Individuen eine große Bedeutung haben. In Bezug auf die Rolle der Geschlechter (Maskulinität vs. Femininität) ist der erhobene Wert für die Türkei das Ergebnis der starken Bedeutung des Familienlebens. 

Mit Bezug auf französisch-deutsche Unternehmensstrukturen berichtete Viktor Mendel von seinen Erfahrungen im Unternehmen WMF Group, das seit einiger Zeit zum französischen SEB-Konzern gehört. Auch hier lassen sich die in der Unternehmenspraxis erkennbaren Unterschiede mittels der erhobenen Werte von Hofstede operationalisieren:
Besondere Herausforderungen bestehen demnach in Bezug auf die Machtdistanz und Unsicherheitsvermeidung. „Die Meinung des einzelnen Mitarbeitenden ist in französischen Unternehmen wenig gefragt und Entscheidungen sind zentralisierter als in deutschen Unternehmen. So entscheidet die oberste Unternehmensleitung bspw. auch über die Einstellung eines Werkstudenten“. Dies verlängert die Dauer, innerhalb derer Entscheidungen gefällt werden. Zudem neigen französische Mitarbeitende dazu, Risiken zu umgehen, und es wird versucht, auch für Kleinigkeiten zunächst Regeln aufzustellen. 

In seinen abschließenden Bemerkungen betonte Prof. Dr. Schöning erneut, dass eine Zusammenarbeit im interkulturellen Kontext nur dann gelingen kann, wenn dazu von beiden Seiten die Bereitschaft besteht. Überdies sollte nicht der Versuch unternommen werden, die eigene Kultur auf andere übertragen zu wollen. Im Gegenteil, der Kontakt mit anderen Kulturen sollte genutzt werden, die Merkmale der eigenen Kultur mit einer gewissen Distanz zu betrachten. 

Prof. Dr. Claudia Ossola-Haring moderierte die anschließende lebhafte Diskussion, bei der viele ergänzende Aspekte angesprochen wurden. Herausgestellt wurde dabei unter anderem die Notwendigkeit, auch kulturelle Unterschiede innerhalb eines Landes zu betrachten. 

Die Veranstaltungsreihe wird im nächsten Jahr fortgesetzt. 

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