FACT-ForschungsDialog am 03.06.2025

FACT-ForschungsDialog zum Thema „The
effects of free trade agreements on the
stock market: Evidence from Vietnam”

In einem weiteren FACT ForschungsDialog stellte
Tuan Vu, Senior Lecturer in Accounting and Finance at
Bournemouth University, UK, seine Forschung zu den
Auswirkungen des europäisch-vietnamesischen
Freihandelsabkommen (EVFTA) auf den
vietnamesischen Kapitalmarkt vor. Die Präsentation
umfasste sämtliche Schritte von der Themenfindung
über die Literaturrecherche, die Hypothesenbildung
und Methodik bis hin zur Ergebnisdiskussion; sie war
damit ein hervorragendes Anschauungsobjekt für
angehende Forschende im Auditorium.
Ausgangspunkt des Vortrags war die Vorstellung des
Forschungsrahmen in der Gestalt einer Eventstudie,
bei der die Auswirkungen der einzelnen
Verhandlungsschritte bis zum Abschluss des
Freihandelsabkommen auf verschiedene Sektoren der vietnamesischen Wirtschaftssektoren
untersucht werden. Die Relevanz einer derartigen Untersuchung wurde zum einen mittels der
bedeutenden gegenseitigen Handelbeziehungen begründet. Zum anderen zeigt der Blick in die
bestehende Forschungsliteratur, dass sich für andere Handelsabkommen sowohl positive als auch
negativen Konsequenzen in Bezug auf abnormale Renditen als auch das systemische Marktrisiko
belegen lassen und dass die Auswirkungen zudem je nach Sektor unterschiedlich ausfallen können.
Eine Besonderheit im Vergleich zu anderen Eventstudien ist dabei, dass „der Event“ bei näherer
Betrachtung aus 10 Einzelevents besteht (von der ersten Ankündigung im Jahr 2010 bis zum
Abschluss des Abkommens im Jahr 2020). Herausgearbeitet wurde dabei, dass für Vietnam keine
Auswirkungsstudien veröffentlicht wurden und sich die bestehen Forschungsergebnisse aufgrund der
abweichenden Wirtschaftsstruktur nicht vollständig auf Vietnam übertragen lassen. Entsprechend
wurden folgende drei Hypothesen formuliert:
 H1: EVFTA-bezogene Ereignisse haben signifikante Auswirkungen auf den vietnamesischen
Aktienmarkt.
 H2: Die Auswirkungen von EVFTA-bezogenen Ereignissen variieren zwischen den
vietnamesischen Sektoren.
 H3: EVFTA-Ankündigungen haben unterschiedliche Auswirkungen auf das systematische
Risiko in den verschiedenen Sektoren in Vietnam.
Basierend auf Daten von Thomson Reuters Eikon DataStream zu 38 Industriesektoren im
vietnamesischen Aktienmarkt im Zeitraum 2010 bis und unter Verwendung des French’s Fünf-Faktor-
Asset Pricing Model wurde für die einzelnen 10 Events mit unterschiedlichem zeitlichem Abstand
geprüft, ob abnormale Renditen erzielt wurden. Direkt am Tag des Events konnten für mehr Sektoren
negative (Bsp. Luftfahrt und Verteidigung) als positive Effekte (Bsp. Banken) ermittelt werden. Bei

zwei Events waren dagegen keine unmittelbaren Effekte erkennbar. Die Ergebnisse änderten sich
leicht, wenn die Entwicklungen im Umfeld der Events miteinbezogen wurden. Der zweite Teil der
Untersuchung beschäftigte sich mit den Auswirkungen der einzelnen Events auf das systematische
Risiko. Die Herausforderung ist dabei, dass sich die Auswirkungen gegensätzlicher Ergebnisse
verschiedener Ereignisse sich gegenseitig aufheben können. Daher wurde für jede Ankündigung eine
individuelle Dummy-Variable eingeführt, die es ermöglicht, den genauen Beitrag der einzelnen
Ereignisse zu ermitteln. Im Ergebnis zeigt sich, dass erst die offizielle Aufnahme der Gespräche
inklusive der Ankündigung der Abtrennung eines Investorenschutzabkommens bedeutende
Auswirkungen auf das Risiko einzelner Sektoren hatte, während diese kurz vor dem Abschluss des
Abkommens die meisten Sektoren positiv oder negativ beeinflussten.
Insgesamt zeigte sich damit, dass die vietnamesischen Aktienmärkte sehr empfindlich auf Ereignisse
im Zusammenhang mit dem EVFTA unmittelbar vor dessen Ankündigung reagierten, wobei in
bestimmten Industriezweigen negative Auswirkungen zu beobachten sind. Die Analyse ergab, dass
Sektoren mit niedrigeren Produktionskosten eine positive Reaktion zeigen, während Veränderungen
im Wettbewerb aufgrund von Tarifstrukturen die sektorale Performance unterschiedlich
beeinflussen. Die kumulierten abnormalen Renditen variieren vor und nach der Ankündigung, wobei
einige Sektoren positive Trends und andere gemischte Ergebnisse aufweisen.
Die Untersuchung hat sowohl für Investoren als auch für politische Entscheidungsträge interessante
Implikation: Investoren können Strategien für die Kapitalallokation auf der Grundlage der sektoralen
Reaktionen auf Freihandelsabkommen entwickeln. Politische Entscheidungsträger können die
Erkenntnisse nutzen, um durch geeignete Maßnahmen negative Auswirkungen auf anfällige Sektoren
abzumildern.
Der Nachmittag endete mit einer intensiven Diskussion unter der Moderation von Prof. Dr. Stephan
Schöning, in der u.a. Fragen zur Methodik sowie zum Umgang mit Unschärfen und Limitationen
gestellt wurden.

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